Pozzen

Als Pozzen oder Pozzing (im englischen Sprachraum auch Bugchasing genannt) wird die absichtliche Selbstinfektion mit HIV bezeichnet. Dies ist zu unterscheiden von der Formulierungen HIV POZ bzw. POZ, die vor allem im englischen Sprachraum von positiven Betroffenen und Selbsthilfegruppen verwendet werden, die keine absichtliche Infektion beabsichtigen.

Übersicht

Das Wort leitet sich von positiv ab. Dabei sollen sich angeblich HIV-Negative absichtlich durch Personen mit hoher Viruslast mit dem HI-Virus infizieren lassen. Die nennenswerte Verbreitung dieses Phänomens wird allerdings bestritten. Dies ist zu unterscheiden vom s.g. Barebacking, bei dem eine Infektion nicht angestrebt, aber in Kauf genommen wird.[1] Gründe sollen, unter anderem, permanente Angst vor einer Infizierung, finanzielle oder soziale Probleme, Liebe oder Verlustangst, sowie der Wunsch nach zukünftigen ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV-Positiven sein. Jedoch kann die gegenseitige Ansteckung mit einem jeweils anderen Virenstamm des HIV zu einer Resistenz gegen verfügbare HIV-Medikamente führen.[2] Die lebensverlängernde Therapie der HIV-positiv Erkrankten wird dadurch erschwert oder gar zunichtegemacht. Bisherige Untersuchungen über Patienten mit mehr als einem HIV-Stamm zeigen einen schnelleren bzw. schlechteren Verlauf der AIDS-Krankheit - selbst dann, wenn keine Medikamentenresistenz vorliegt.

Rechtliche Qualifikation

Unabhängig davon, ob die angesteckte Person mit der Ansteckung einverstanden war oder nicht, wird mit der Ansteckung aus rechtlicher Sicht eine Körperverletzung begangen. Ob und wie diese strafbar ist, hängt jedoch vom jeweiligen Landesrecht ab. Das Strafmaß hängt unter anderem davon ab, ob fahrlässig oder gar vorsätzlich eine Ansteckung verursacht wurde.

Situation in der Schweiz

Das schweizerische Bundesgericht hat in Bundesgerichtsentscheid 131 IV 1 festgehalten: „Die HIV-Infektion ist schon als solche objektiv eine schwere (lebensgefährliche) Körperverletzung“[3] (nach Art. 122 StGB)[4]. Allerdings kann die Strafbarkeit hiervon entfallen, wenn der angesteckte Partner hiermit ausdrücklich einverstanden war. Das Bundesgericht subsumiert dies unter den Rechtsbegriff der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung und führt aus: „Eine Verurteilung der HIV-infizierten Person wegen (versuchter) schwerer Körperverletzung fällt ausser Betracht, wenn der Partner in Kenntnis der Infektion und des Übertragungsrisikos freiverantwortlich mit dem ungeschützten Sexualkontakt einverstanden ist und das Geschehen mitbeherrscht“[3].

Unabhängig hiervon erfüllt ein Täter, der absichtlich andere mit HIV infiziert, den Tatbestand von Art. 231 StGB (Verbreiten menschlicher Krankheiten)[5]. Da das geschützte Rechtsgut bei diesem Tatbestand die öffentliche Gesundheit ist, kann sich der Täter nicht mit dem Einverständnis des Opfers rechtfertigen.

Pozzing in den Medien

In die Medienöffentlichkeit geriet das Thema 2003 durch einen Artikel von Gregory A. Freeman im Rolling Stone,[6] dessen Korrektheit hinsichtlich der darin behaupteten Häufigkeit des Phänomens allerdings bald darauf von Quellen, die in ihm zitiert wurden, bestritten wurde[7][8] und der deshalb unter anderem von Andrew Sullivan[9] und der Gay and Lesbian Alliance Against Defamation[10] scharf kritisiert wurde. Ein für eine Sendung der BBC durchgeführtes Experiment mit einem HIV-positiven Mann, der in Internet-Foren Kontakt mit „Bug Chasern“ suchte, kam zum Schluss, dass die überwältigende Mehrheit dieser Gespräche „reine Fantasien“ darstellten, die aber dennoch eine Bereitschaft zu riskantem Sexualverhalten beförderten.[11]

In Deutschland wurde die Öffentlichkeit zuerst 2007 durch eine Reportage von Britta Stuff auf das Phänomen aufmerksam.[12]
Am 12. Februar 2011 griff das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm zdf_neo das Thema in der Reportagereihe “Wild Germany” [13] erneut auf.

Weblinks

Fußnoten